Was hast du gemacht, bevor du ans iac
gekommen bist?
Ich machte eine Lehre als Bootbauer und arbeitete danach ein Jahr auf dem Beruf. Anschliessend war ich im Messebau tätig. So fand ich den Weg zum Schreinern. Die letzten zwölf Jahre vor meiner jetzigen Anstellung war ich in einer Holzwerkstatt beschäftigt, hauptsächlich als Bauschreiner. Ich schätzte die Arbeit in dem kleinen Manufakturbetrieb sehr. Es war mir jedoch klar, dass ich nicht bis zu meiner Pensionierung auf dem Bau arbeiten wollte, da die körperliche Belastung sehr hoch war. Ich wollte mir etwas Gutes tun, indem ich mir ein zweites Tätigkeitsfeld aufbaue.
Wie hast du herausgefunden, was dieses neue Tätigkeitsfeld sein könnte?
Wir hatten damals eine Mitbewohnerin, die am iac Kunsttherapie studierte. Das interessierte mich, obwohl mir das Therapeutische eher fern lag. Eines Tages hatte ich in der Nähe des Limmatplatzes auf einer Baustelle zu tun und sah zufällig das Gebäude des iac. In der Pause stiefelte ich – dreckig und verschwitzt, wie ich war – spontan ins iac-Büro und erkundigte mich nach den Ausbildungen. Ich hatte immer noch Kunsttherapie im Kopf, als ich kurze Zeit später den Informationsabend besuchte. Am Infoabend werden alle vier Lehrgänge vorgestellt, erst da wurde mir klar, dass es am iac auch andere Ausbildungsrichtungen gibt. Bei der Gestaltungspädagogik fühlte ich mich gleich zuhause.
Welche Ziele und Träume hast du mit der
Ausbildung verfolgt?
Ursprünglich hatte ich vor, zunächst die ersten zwei Jahre mit den Grundlagenmodulen zu machen, «wil’s fäget», weil es etwas für mich war, weil es um Material ging. Zudem arbeite ich unglaublich gerne mit Menschen, als Begleiter, als jemand, der den Raum gestaltet und dann freigibt. Das zeigte sich schon in der Pfadi. Dieser soziale Aspekt war in der Berufswelt zu kurz gekommen. Durstig war auch meine künstlerisch-gestalterische Seite, die ich als Handwerker eher unterbinden musste. Mein Ziel war es, ein Türchen aufzustossen, um mir neben der körperlich fordernden Arbeit als Handwerker eine zweite Tätigkeit aufzubauen. Ich sah mich zukünftig zum Beispiel mit einem eigenen Atelier oder als Anbieter von Kursen in der Natur.
Welche Fähigkeiten und Kompetenzen
brachtest du in die Ausbildung mit?
Handwerklich brachte ich ein breites Spektrum von Fähigkeiten mit. Ein Bootbauer ist im Grunde ein Universalhandwerker, man arbeitet mit verschiedensten Materialien, dazu kommt etwas Mechanik. Bootbau bedeutet viel Handarbeit und hat einen hohen kreativen Anteil, denn es gibt immer nur speziell zugeschnittene Lösungen.
Wie hast du die ersten zwei Jahre der Grundausbildung erlebt?
Sehr intensiv! Die Zeit reichte nie – in jedes der Materialien hätte ich volle vier Jahre Ausbildung investieren können, weil es so viel Lust weckte. Ich habe dadurch gelernt, mit «killed darlings» umzugehen. Meine Klassenleiterin schlug vor, eine Schachtel für «killed darlings» bereitzustellen, also für all jene Dinge oder Themen, die man liebt, aber im Moment nicht weiterverfolgen kann. Ich habe dann tatsächlich eine Kartonschachtel gemacht, in der ich Ideen aufbewahrte.
Es war ein totales Eintauchen, alles andere wurde unwichtig. Oft kam ich nach einem intensiven Schultag nach Hause und machte gleich weiter, stellte zum Beispiel den Backofen an und «verschmürzelte» Plastik… Da war gar kein Raum mehr für etwas anderes. Meine Kinder genossen es oft und zogen mit. Das war natürlich manchmal auch etwas invasiv für die Familie.
Was hat dich in den ersten zwei Jahren
besonders angesprochen?
Für mich war das Zulassen des Experimentellen und Spielerischen besonders wichtig. Es ging um den Prozess und nicht um das Produkt. Als Handwerker bin ich speziell «auf Produkt geimpft», alles muss funktionieren und Vorgaben erfüllen. Ich schätzte es extrem, Dinge tun zu können, von denen ich wusste, dass sie nicht «verhebe» würden, einfach um zu schauen, was passiert. Das muss man erleben. Das ist für mich wie ein roter Faden durch die ganze Ausbildung. Ich fand es zudem spannend, bei einem Material an die Basics zu gehen, es zum Beispiel von Grund auf selbst herzustellen. Dieses Thema beschäftigt mich nach wie vor, auch in meiner aktuellen Tätigkeit im Freizeitzentrum.
Wie hast du das dritte Jahr in Erinnerung?
Das Kunstmodul im dritten Jahr gefiel mir sehr. Leider fiel es in die Corona-Zeit, doch überraschenderweise entfesselte diese Zeit mit der verbundenen Unsicherheit und Verwirrung bei mir unglaubliches kreatives Potenzial. Ich begann zu schreiben und zu skizzieren – Dinge, die ich zuvor von mir weniger kannte. Die Rückmeldungen der Klasse ermöglichten mir, eine Ressource darin zu entdecken, das war sehr wertvoll. Im Designmodul war mir das Spielen und Experimentieren mit dem Material ganz wichtig, es war wie eine spannende Forschungsreise.
Was hat dir der SVEB gebracht?
Der SVEB gab mir das Rüstzeug und ganz konkrete Werkzeuge für meine heutige Arbeit. Die gestalterische Ausrichtung des SVEB am iac und die grossartige Kursleiterin waren dabei sehr hilfreich. Ich konnte Inhalte vernetzen und Querverbindungen entdecken wie wohl noch nie zuvor in einem Kurs und seither nicht mehr. Mein Arbeitsbuch zeugt davon, es ist voller farbiger Flussdiagramme und Netzwerkdarstellungen.
Du hast anschliessend auch das vierte Jahr gemacht, wie fandest du das?
Das vierte Jahr war zeitweise noch von Corona-Restriktionen betroffen, ich vermisste die Präsenz und den Austausch sehr. Zusammen mit den fast unbegrenzten Möglichkeiten der Diplomarbeit machte sich zu Beginn eine gewisse Orientierungslosigkeit bemerkbar. Ich sass allein im Atelier und wusste nicht wohin mit mir. Als Thema konnte ich mir zu dem Zeitpunkt alles vorstellen, von einer gigantischen Skulptur bis hin zu einer Performance.
Irgendwann merkte ich: Schnitzen tut mir gut. Ich setzte mich nach draussen, nahm ein Schnitzmesser und schnitzte drauflos, ohne den Prozess zu steuern. Diese Tätigkeit erdete mich und es wurde mir klar, dass ich genau dies auch anderen Menschen ermöglichen möchte. So entstand meine Idee eines Vermittlungsprojekts. Mit dem Labyrinth-Garten im Kasernenareal Zürich entdeckte ich einen Ort mittendrin und doch im Grünen, der mir für die Durchführung eines Workshops geeignet schien. Ich entwickelte ein Konzept für einen Schnitz-Workshop mit dem Titel «Wintersaat». Daraus entstand in rollender Planung eine ganze Kursreihe, sie reichte schliesslich weit über das Diplomjahr hinaus. Als wir uns wieder physisch treffen und austauschen konnten, waren die Gespräche mit anderen darüber, wie sie in ihren Projekten unterwegs waren, sehr wertvoll und unterstützend.
Parallel zum persönlichen Projekt lief der Prozess zur Erarbeitung der Ausstellung, wie hast du dies erlebt?
Es war schön, auch einmal in einer kleineren Gruppe zu arbeiten. Ich hatte mich stark eingebracht in die Raumsuche und war dann auch in der Arbeitsgruppe, die sich mit der räumlichen Gestaltung der Ausstellung befasste. Es war ein intensiver und sehr befriedigender Prozess, ein Raummodell zu bauen, das Ausstellungsmobiliar zu entwickeln und die einzelnen Projektarbeiten zuerst im Modell zu platzieren und später gemeinsam im Raum zu inszenieren.
Inwiefern brachten dich die Erfahrungen
des vierten Jahrs weiter?
Es war für mich grundlegend, meine Kurse auf dem Labyrinthplatz anzubieten. Ich habe dabei gelernt, dass ich vor Menschen reden kann, und durfte die Erfahrung machen, dass der Rahmen, den ich aufbaue, von den Teilnehmenden angenommen und genutzt wird. Während eines Grossteils des vierten Jahres rang ich damit, dass ich nicht wusste, was ich an der Ausstellung zeigen könnte. Die Wende kam mit dem Gedanken, Vermittlungsformate als eigenständige Werke wahrzunehmen, ihnen wirklich Relevanz zu geben. Der Rahmen, den ich für die Vermittlung schaffe, ist ein Werk von mir. Ich schenke ihn den Teilnehmenden, die ihn bespielen dürfen. Das ist auch in meiner jetzigen Tätigkeit so: Ich gestalte den Raum und freue mich sehr, wenn die Menschen ihn nutzen und sich darin wohlfühlen.
Wie ging es nach der Ausbildung
für dich weiter?
Ich hatte vor, meine Stelle in der Schreinerei in einem reduzierten Pensum zu behalten und daneben etwas zu tun, was mir gut tut und zusätzlich ein wenig Geld bringt. So bewarb ich mich an einigen Orten, zum Beispiel als Werkstattleiter
an einer Hochschule oder in einem
Gemeinschaftszentrum. Da ich aber bald ins Tun kommen wollte, entschied ich mich nach einer Weile, die aktive Stellensuche erst einmal bleibenzulassen. Stattdessen wollte ich das Wissen und die Ressourcen nutzen, die ich am iac erarbeitet habe, um nebenberuflich Kurse anzubieten. Es musste nicht unbedingt rentieren, sondern einfach Spass machen. Ich konnte die Zusammenarbeit mit dem Labyrinthplatz intensivieren und dort mit meinen Workshops viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Als ich zu dieser Zeit erfuhr, dass eine Nachfolge für die Leitung der Holzwerkstatt der Freizeitanlage Heslibach in Küsnacht gesucht wurde, war die Bewerbungsfrist schon beinahe abgelaufen. Ich bewarb mich sehr spontan. Bei meinem ersten Besuch in dieser Werkstatt sah ich meinen Vorgänger in seiner Latzhose mitten im Gewusel und merkte: «Wow! Hier sehe ich mich! Das könnte etwas für mich sein.» Ich bekam zu meiner grossen Freude die Stelle und bin nun Leiter der Holzwerkstatt im «Frezi».
Was interessiert dich an dieser Arbeit
ganz besonders?
Mir ist es wichtig, ein Miteinander zu generieren, meine Arbeit sehe ich auch in einem soziokulturellen Kontext. Ich gestalte den Raum für unsere Gäste, so dass sie hier ihre Projekte verwirklichen können. Mit jedem Projekt, das ich hier ermöglichen kann, geschieht auch ein kleines Stück gesellschaftliche Arbeit, die zu einem guten Miteinander führt.
Welche Ideen hast du, wenn du in die
Zukunft blickst?
Mir fehlt etwas das draussen Arbeiten und Spielen. Ich möchte mehr Gewicht auf die Naturpädagogik legen, was auch sehr meinem Bedürfnis entspricht, an die Basis eines Materials zu gehen. Ich bin überzeugt, dass es für Kinder und auch für Erwachsene absolut essentiell ist, solche Erfahrungen machen zu können. Ich habe sehr viel Gestaltungsfreiheit, im Rahmen unseres Kursprogramms neue Angebote zu entwickeln. Dazu habe ich grosse Lust.
Was konntest du vom iac mitnehmen, das sich bei dir auch im Alltag auswirkt?
Der Mut zum Unfertigen, der Mut, etwas einfach mal stehen- und sich entwickeln zu lassen, ist mir wichtig geworden und spielt auch im alltäglichen Leben immer wieder eine Rolle. Beim Gestalten geschieht immer etwas mit dem Menschen, darauf gilt es sich einzulassen.